Am 21.07.2015 veröffentlichte das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft den Entwurf des Windenergieerlasses. Hier wird sowohl der Abstand zur Wohnbebauung mit 750-1000 Metern, als auch “Wald als weiche Tabuzone” angegeben. Das Ministerium fordert nun die Bürgerinnen und Bürger des Landes zu einer Diskussion  auf.


Stellungnahme der BI proholzlandwald e.V. zum Windenergieerlass:

Die Bürgerinitiative proholzlandwald e.V. bekennt sich ausdrücklich dazu, die Energieversorgung Deutschlands in Zukunft primär aus regenerativen Energien zu leisten und damit einen bedeutenden Beitrag zum weltweiten Klimaschutz zu erbringen.
Wir sehen allerdings die einseitige Fokussierung auf Windenergie als den falschen Weg, die Energieversorgung mittel- und langfristig abzusichern und lehnen diesen in seiner jetzigen Form ab, insbesondere, was die geplante Nutzung auch von Waldflächen, des Holzlandwaldes, zur Errichtung von Windenergieanlagen betrifft.
Wir, die Bürgerinitiative proholzlandwald e.V. sehen eine gelungene Nutzung alternativer Energien im ausgewogenen Mix aller vorhandenen Technologien.
In diesem Sinne sollte es den einzelnen Regionen innerhalb Deutschlands und Thüringens möglich sein, den regionalspezifischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Während sich Windenergie vor allem im Norden Deutschlands rentabel produzieren lässt, ist die thüringische Mittelgebirgslandschaft hierfür deutlich ungeeigneter. Unsere Landschaft, die insbesondere durch großflächige zusammenhängende Waldgebiete geprägt ist, ist vielmehr dazu geeignet, Ihren Beitrag zur Energiewende durch den Einsatz von Bioenergie- und Photovoltaikanlagen zu leisten.
Dementsprechend würde es die Bürgerinitiative proholzlandwald e.V. begrüßen, wenn die Landesregierung statt eines reinen Flächenausbauziels für Windkraftanlagen, die für eine Planungsregion aufzubringende Leistung aus erneuerbaren Energieträgern festlegen würde.
Eine Planungsregion könnte somit die Vorgaben flexibel durch Repowering bestehender Anlagen, den Neubau von Photovoltaik- und Bioenergieanlagen und/oder den Einsatz von Windkraftanlagen erreichen. Nach unserer Meinung ist auch bei Vorgaben zu Ausbauzielen der Windkraft generell von Flächenvorgaben abzusehen, da Leistungsziele hier die weitaus flexiblere Lösung darstellen und der absehbaren Ertragssteigerung moderner Windkraftanlagen Rechnung tragen.
Hierzu gibt es aktuelle Untersuchungen die belegen, daß schon heute der Anteil der Windkraftanlagen für die angestrebten Ausbauziele ausreicht und das Ziel der Landesregierung für die Jahre 2020, 2030 und 2040 ebenfalls erfüllt werden, ohne eine weitere überproportionale Flächenbelegung durch Windkraftanlagen zu forcieren.
Diese Untersuchungen beziehen Windkraftanlagen außerhalb ausgewiesener Vorranggebiete ein und zeigen schlüssige Argumente, dass eine reine Flächenerweiterung auf 1% der Landesfläche überhaupt nicht notwendig ist (siehe hierzu: Windenergieausbau in Thüringen: Situationsanalyse und Untersuchung der Auswirkungen der Zielstellungen für Thüringen). Wir sehen auch das Repowering als bedeutenden Teil der Windenergienutzung, der bisher überhaupt nicht berücksichtigt wurde.
Es steht außer Frage, dass auch die Windenergie einen wichtigen Teil in Thüringen beitragen kann. Bei der Nutzung der Technologie muss allerdings ausgeschlossen werden, dass Mensch, Tier, Natur- und Kulturlandschaft Schaden nehmen. Neben der starken Beeinträchtigung des Landschaftsbildes müssen hierbei vor allem potentiell gefährdende Geräuschemissionen, Schlagschatten, Eiswurf und auftretender Infraschall berücksichtigt werden. Wir kritisieren daher, dass die Landesregierung auf eine gesetzliche Festlegung von nachvollziehbaren Abstandskriterien verzichtet. Die Abstände von Windenergieanlagen (WEA) zu Wohnbebauung, Naturschutzparks und Biosphärenreservaten müssen rechtsverbindlich in Gesetzesform festgeschrieben werden, um jegliche Aushebelung und einzelfallbezogene Sonderregelungen zu verhindern. Eindeutige gesetzliche Abstandskriterien, die sich an der Gesamthöhe der Anlagen orientieren, garantieren, dass jetzt und in Zukunft keinerlei Gefahren für Mensch, Tier und Natur ausgehen.
Die im Entwurf des Windenergieerlasses vorgeschlagenen Abstände lehnen wir strikt ab, weil sie einerseits viel zu gering sind und anderseits absehbare Steigerungen der Gesamthöhe moderner Anlagen nicht berücksichtigen.
Bezüglich der Distanzen von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung plädieren wir für eine 10H-Regelung nach Vorbild des Freistaates Bayern, wonach Windenergieanlagen einen Abstand vom 10-fachen ihrer Höhe, mindestens aber einen Abstand von 2000m zur Wohnbebauung einhalten müssen.
Die Öffnung des Waldes für den Bau von Windenergieanlagen lehnen wir ab, auch Nutzwald muß mindestens als weiche Tabuzone betrachtet werden, die aktuelle Rechtsprechung erlaubt diese Einstufung (siehe Döpel Windstudie) und schließt damit den Wald von der Windenergienutzung vorerst aus. Thüringer Wälder sind in ihrer Historie gewachsene Nutzwälder, sie haben eine kulturhistorische Bedeutung für die Thüringer Bevölkerung. Alle Wälder sind für die Erhaltung der Biodiversität und die Qualität der Naherholungsmöglichkeiten von unschätzbarem Wert.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der vorgenannten Untersuchungen ist eine Einbeziehung zur Windenergienutzung auch überhaupt nicht notwendig.
Insbesondere weisen wir darauf hin, dass der Bau von Windkraftanlagen in Wäldern ökologisch und klimaschutztechnisch unverantwortlich ist. Wälder erfüllen eine wichtige Funktion als Kohlendioxidsenker und tragen damit essentiell zum Klimaschutz bei. Großflächig Bäume zu roden, um WEA zu bauen, wiederspricht jeder ökologischen Vernunft. Wir, die Bürgerinitiative proholzlandwald e.V., haben die Verpflichtung übernommen, den Wald“ in seiner Ursprünglichkeit zu schützen und zu erhalten. Das ist unsere Heimat, hier sind wir verwurzelt.
Eine Aushebelung des Thüringer Waldgesetzes und der Versuch Wälder in „gute ökologisch wertvolle und weniger gute aufzuteilen“ halten wir im grünen Herzen Deutschlands für unzulässig.
Weiter ist festzustellen, dass es bisher kaum Erkenntnisse über die Wirkung von WEA in Wäldern auf Vegetation und Tierwelt gibt. Eine Gefährdung von Insekten, Vögeln und Waldtieren ist nicht auszuschließen. Auch aus diesem Grund muss von der Errichtung von Anlagen in Wäldern abgesehen werden. Hinzu kommt die Gefährdung der Erholungsfunktion von Wäldern, die durch die massiven Eingriffe in die Wald- und Bodenökologie beim Bau sowie durch Geräusch- und Lichtemissionen nach der Fertigstellung der Windkraftanlagen zu erwarten sind. Aus diesen Gründen ist es daher nach unserer Auffassung unabdingbar, alle Waldgebiete zu harten Tabuzonen zu erklären.
Wir, die Bürgerinitiative proholzlandwald e.V. möchten insbesondere auf den Punkt 1.2. „Bürgerbeteiligung“ hinweisen. Zitat: „Eine solche Beteiligung wird als konstruktive Möglichkeit, unterschiedliche Interessen abzuwägen ausdrücklich begrüßt“. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Argumente gegen den ungezügelten Ausbau von WEA´s kaum Gehör finden und „Einbahnstraßenretorik“ Einzug gehalten hat. Bürgerbeteiligung muss auch konträre Meinungen zulassen und Einsicht in vernünftige Argumente berücksichtigen.
Wir erwarten, dass unsere Argumente gehört werden und der Entwurf zum Windenergieerlass mit Vernunft und mit Augenmaß überarbeitet wird.
Nur gemeinsam werden wir das Ziel einer vernunftorientieren Energiewende schaffen, die alle mitgestalten können.

1.Vorsitzende Dr. Eckart Illian
2.Vorsitzende Volkhardt Pirl